Herzbildnisse

Wilfried Riess gehört zweifellos zu jenen Künstlern, die - auch quer zum zeitgnössischen Mainstream - unbeirrt und mit grösster Konsequenz dem Weg folgen, der sich aus den eigensten, existentiellsten Fragen ergibt. Wobei Riess sich nicht selbstverliebt um die persönliche Befindlichkeit dreht oder die Widerwärtigkeiten dieser Welt thematisiert. Auf der Suche nach dem Unbedingten wagt er es, sich dessen Anspruch zu stellen.

Und er stellt einer sich ständig beschleunigenden und immer mehr sich an der Oberfläche abspielenden Wirklichkeit fragile, buchstäblich auf die Tiefe sich einlassende Schnittbilder von beinahe monumentaler Langsamkeit und Erhabenheit entgegen. Dabei greift er auf eine Tradition zurück, von der zu sprechen in der heutigen Kunstszene weitgehend obsolet ist - die christliche. Denn wenn es zutrifft, dass nur eine Symbolsprache das Unbedingte zum Ausdruck bringen kann, so ist nicht einzusehen, warum gerade die reichste symbolische Tradition die Auseinandersetzung nicht lohnte. Allerdings ist es nicht so, dass Riess zu dieser Tradition zurückkehrt, um Vergangenes fortzuführen, sondern er kommt auf sie zurück, um sie im Lichte persönlicher Erfahrung neu zu interpretieren. Von eben dieser Erfahrung, von einer Ergriffenheit vom Unbedingten, sprechen seine einzigartigen Bilder.

Urs Beat Frei, im Oktober 2005